Die unterschätzten Schätze – Rolf Hauser und seine Ersttagsbriefe
Ein Sammler mit Blick für das Besondere
Wie Rolf Hauser die unterschätzte Welt der Ersttagsbriefe neu entdeckte.
In der Welt der Philatelie gibt es Sammelgebiete, die im Rampenlicht stehen – und solche, die lange im Schatten geblieben sind. Ersttagsbriefe, sogenannte First Day Covers (FDC), gehören für viele in die zweite Kategorie. Sie gelten als Massenware: produziert in hohen Auflagen, über Jahrzehnte im Abo von der Post verschickt, heute vielfach unbeachtet in Sammlungen abgelegt. Doch dieser Ruf wird dem Thema nicht gerecht. Denn was genau ist ein Ersttagsbrief? Es handelt sich um einen Umschlag, der am ersten Gültigkeitstag einer neuen Briefmarke frankiert und mit dem offiziellen Ersttagsstempel versehen wurde. Dieser Stempel dokumentiert nicht nur einen Zeitpunkt – er macht den Brief zu einem geschichtlichen Dokument. Ein Moment auf Papier. Ab 1963 begann die Post, solche FDCs in grossen Auflagen zu produzieren und systematisch über Abonnemente zu vertreiben. Das Angebot war bald um ein Vielfaches grösser als die Nachfrage. Für viele Sammler verloren sie damit ihren Reiz. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Die frühen Ersttagsbriefe – insbesondere jene vor 1950 – können heute echte Raritäten sein. Viele dieser Briefe wurden in kleinen Auflagen hergestellt, oft von privaten Sammlern initiiert, mit Handadresse oder Sonderschrift versehen, sorgfältig gestempelt. Solche Stücke sind heute kaum mehr auf dem Markt erhältlich – und werden unter Kennern hoch geschätzt. Genau diesen seltenen Belegen galt die besondere Leidenschaft von Rolf Hauser.
Von der Masse zum Meisterstück
Rolf Hauser war kein Sammler, der einfach nur Marken sammelte. Er sammelte Geschichten. Ein besonderes Interesse galt dabei den Ersttagsbriefen – einem Gebiet, das viele längst abgeschrieben hatten. Für Rolf Hauser begann diese Spur mit der UPU-Ausgabe vom 2. Juli 1900. Von da an verfolgte er mit Ausdauer die dokumentierten Erstverwendungen schweizerischer Briefmarkenausgaben – mit einem geschulten Blick für Qualität, Originalität und historische Tiefe. Was ihn anzog, waren nicht die gängigen Serien aus den 1970er-Jahren. Er suchte nach den seltenen, oft übersehenen Belegen mit Aussagekraft. Bei den frühen Schweizer Freimarken sind exakte Erstausgabedaten nur selten überliefert. Erst ab den Friedensmarken von 1919 sowie bei den Pro Juventute-Serien ab 1912, Flugpost- und Patriaausgaben, kennt man die meisten Ersttagsverwendungen. Genau in dieser Grauzone forschte Rolf Hauser. Seine Sammlung war kein Katalog – sie war ein Erkenntnisraum.
Gaudard, Fauchère – und die Handschrift der Geschichte
In der Geschichte der Schweizer Philatelie gibt es zwei Persönlichkeiten, die das Sammelgebiet der Ersttagsbriefe entscheidend geprägt haben. Lange bevor solche Briefe breite Aufmerksamkeit fanden, erkannten Hans Gaudard und Walter Fauchère, welche Bedeutung und Schönheit in ihnen steckt. Mit Leidenschaft, Ausdauer und einem feinen Gespür für Qualität legten sie Meilensteine – und schufen philatelistische Dokumente, die bis heute zu den wertvollsten ihrer Art zählen. Hans Gaudard, ehemaliger Postdirektor, und Walter Fauchère, Direktor des Konsumvereins Basel, produzierten in den Jahrzehnten zwischen 1920 und 1950 zahlreiche Ersttagsbriefe, die es ohne ihr Engagement gar nicht gäbe – darunter Raritäten wie die Symbolischen Darstellungen von 1938, Schloss Chillon 1939 oder Patria Nr. 7 mit verändertem Sockel. Beide hatten ihre eigene Handschrift – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Hans Gaudard adressierte seine FDCs stets mit der Schreibmaschine, oft an bedeutende Sammler seiner Zeit. Seine Briefe sind klar, präzise, nie verschmiert – und damit sofort als „Gaudard-Briefe“ erkennbar. Walter Fauchère hingegen schrieb fast alle seine Umschläge von Hand – in einer unverkennbaren, eleganten Handschrift, die jedem seiner Briefe eine persönliche Note verlieh. Fauchères Engagement reichte weit über das eigene Sammeln hinaus. Er vermachte seine über 300 Alben umfassende Schweiz-Sammlung dem Städtischen Waisenhaus Basel. 1977 entschied der Basler Stadtrat, diese bedeutende Sammlung durch das Auktionshaus Rapp versteigern zu lassen. Das Ergebnis: Über 1,4 Millionen Franken – eine der eindrücklichsten Auktionen der Schweizer Philateliegeschichte.
Ein Brief, der alles sagt
Auch in Rolf Hausers Sammlung fanden sich einzigartige Stücke. Ein herausragendes Beispiel: ein FDC mit dem Kehrdruckbogen von 1953 einer Pro Juventute-Ausgabe, adressiert nach Tel Aviv. Vermutlich ist es das einzige bekannte Exemplar – ein Unikat. Ein solcher Brief ist mehr als ein Sammelstück. Er ist Ausdruck von Feingespür, Fachwissen und jahrelanger Suche. Oder die Symbolischen Darstellungen von 1938. Von dieser Ausgabe sind bis heute nur zwei vollständige Satz-FDCs bekannt – beide von Hans Gaudard gefertigt. Auch Rolf Hauser suchte diese Stücke, jahrzehntelang, aber vergeblich. Für ihn war das keine Enttäuschung, sondern Teil der Faszination. Die Suche selbst war ein Teil des Weges.
Illustrierte Ersttagsbriefe – kleine Kunstwerke mit Geschichte
Peter Rapp, der sich seit seiner Kindheit fast täglich mit Philatelie beschäftigt, kennt die Welt der frühen Ersttagsbriefe wie kaum ein anderer. Was auf diesem Gebiet selten ist – und was fast nie auftaucht – kann er aus jahrzehntelanger Erfahrung einordnen. Über viele Jahre hinweg verband ihn mit Rolf Hauser eine enge fachliche Freundschaft. Immer wieder tauschten sie sich aus – besonders über ein Thema, das beiden am Herzen lag: die illustrierten Ersttagsbriefe.
Gerade in diesem Bereich zeigte sich Rolf Hausers besonderes Gespür. Die kunstvoll gestalteten FDCs ab 1948 faszinierten ihn nicht nur wegen ihrer philatelistischen Bedeutung, sondern auch wegen ihrer grafischen Qualität. Durch seine Tätigkeit in der grafischen Branche hatte er ein geschultes Auge für Gestaltung, Farben und Druck. Für ihn war ein FDC nicht einfach ein Beleg – sondern ein kleines Kunstwerk mit Geschichte.
Viele dieser Briefe erzählen von Natur, Technik, Kultur oder gesellschaftlichen Entwicklungen. Rolf Hauser verstand es, diese Ebenen zu erkennen – und gezielt zu sammeln. Dabei achtete er auf jedes Detail: die Balance zwischen Marke und Stempel, die Harmonie der Farben, die Qualität des Papiers, dieTypografie der Adresse. Für ihn war das kein Nebenaspekt – sondern ein zentrales Kriterium seiner Sammlung.
Ein Sammler mit klarem Blick
Rolf Hauser war weit mehr als ein Sammler. Er war Gestalter, Forscher und Beobachter. Er betrachtete Ersttagsbriefe nicht nur als philatelistische Belege, sondern als gestaltete Geschichtsdokumente. Sein Blick war geschärft für Qualität, Originalität und Aussagekraft. In seinem Schaffen verband sich Fachwissen mit Ästhetik – und Leidenschaft mit Präzision. Vielleicht war es genau das, was ihn so sehr an den Ersttagsbriefen faszinierte: die Idee, einen ganz bestimmten Moment festzuhalten. Den ersten Tag. Den Anfang einer Ausgabe, eines Motivs, manchmal einer ganzen Epoche.
Rolf Hauser hat nicht einfach gesammelt.
Er hat gesucht – nach der Spur dieses einen, besonderen Tages.
Und damit ein Stück Geschichte bewahrt.
Meisterwerke der Schweizer Philatelie – Spitzenobjekte aus der Sammlung Hauser sel.
Seltene Ersttagsbriefe, makellose Sonderausgaben und postalische Kuriositäten – diese ausgewählten Objekte aus der Sammlung Hauser sel. zählen zu den seltensten und faszinierendsten Belegen der Schweizer Postgeschichte. Jedes Stück erzählt eine Geschichte: von aussergewöhnlichen Ausgabeumständen, bewusst hergestellten Raritäten und postgeschichtlichen Besonderheiten, die selbst erfahrene Sammler ins Staunen versetzen. Manche wurden nur in winziger Auflage produziert, andere verdanken ihre Seltenheit einem Zufall – wie einem Ausgabetag an einem Sonntag oder einer Vorab-Entwertung für einen exklusiven Personenkreis. Gemeinsam ist ihnen ihre herausragende Bedeutung für die Schweizer Philatelie. Diese Belege sind mehr als nur frankierte Umschläge – sie sind Zeitzeugen, Kulturträger und kunstvolle Zeugnisse einer vergangenen Epoche. Tauchen Sie ein in eine Auswahl, die das Herz jedes Philatelisten höherschlagen lässt – und die eindrücklich zeigt, warum die Schweiz zu den spannendsten Sammelgebieten der Welt gehört.
Schloss Chillon – Ersttagsbrief 1939
Ein portogerechter, eingeschriebener Ersttagsbrief mit drei Marken des Schloss-Chillon-Motivs, am 14. Dezember 1939 im Schweizer Postmuseum Bern entwertet und vom damaligen Postdirektor Hans Gaudard persönlich an seine Wohnadresse in Bern adressiert.
Ausgabedatum: 14. Dezember 1939
Motiv: Schloss Chillon, berühmte Wasserburg am Genfersee
Portogerecht: Frankatur aus drei 10-Rappen-Marken
Auflage & Gültigkeit: Für die Zeit sehr hohe Auflage von ca. 350 Millionen Marken, gültig bis 31. Dezember 1955
Besonderheit: Einschreiben, adressiert an Hans Gaudard, Schlüsselfigur der Schweizer Postgeschichte
Portogerechte, eingeschriebene Ersttagsbriefe dieser Ausgabe mit bekannter Provenienz sind nicht alltäglich und besitzen für Sammler besonderen Reiz – ein herausragendes Zeugnis der Schweizer Post- und Kulturgeschichte.
Pro Juventute – Ersttagsbrief 1918
Ein philatelistisches Kleinod: Dieser seltene Ersttagsbrief mit den Pro-Juventute-Marken von 1918 wurde am 1. Dezember 1918 abgestempelt – einem Sonntag. Aufgrund des ungewöhnlichen Ausgabetages sind von diesem Jahrgang nur sehr wenige First Day Cover bekannt.
Ausgabedatum: 1. Dezember 1918 (Sonntag)
Besonderheit: Sehr geringe Anzahl an Ersttagsbriefen, da Sonntagsausgaben kaum vorkamen
Adressat: Gottfried Bucher, Postbeamter in Luzern
Historie: Bucher erkannte die künftige Seltenheit und fertigte bewusst einige wenige dieser FDC an
Motiv: Pro Juventute 1918 – Wohltätigkeitsmarken zugunsten der Kinder- und Jugendhilfe in der Schweiz
Ein Stück Schweizer Postgeschichte, das Seltenheit, historische Besonderheit und gezieltes Sammlerbewusstsein vereint – und heute zu den gefragtesten Pro-Juventute-Ersttagsbriefen zählt.
Pro Juventute – Illustrierte Ersttagsbriefe 1950
Zwei aussergewöhnliche Ersttagsbriefe der Pro-Juventute-Ausgabe 1950, jeweils mit vollständigem Satz und ansprechender Illustration – einmal in Französisch, einmal in Italienisch, beide ohne Adressaufdruck.
Ausgabedatum: 1. Dezember 1950
Sprache & Gestaltung: Französisch („Jour d’émission“) und Italienisch („Giorno d’emissione“)
Vollständiger Satz: Vier Wohltätigkeitsmarken mit Insektenmotiven + Sondermarke Henri Dunant
Illustration: Künstlerisch gestaltete Zudrucke, sammlerisch besonders geschätzt
Seltenheit: In dieser frischen, adressfreien Erhaltung kaum zu finden
Diese perfekt erhaltenen Belege verbinden die grafische Qualität illustrierter FDC mit der wohltätigen Tradition der Pro-Juventute-Ausgaben – ein ästhetisches wie philatelistisches Highlight.
Pro Juventute – Kehrdruck-Bogen 1953 nach Tel Aviv
Ein weltweit, vermutlich einzigartiger Ersttagsbrief: Der komplette Kehrdruck-Bogen der Pro-Juventute-Ausgabe 1953, postalisch als eingeschriebener Luftpostbrief am 1. Dezember 1953 von Bern nach Tel Aviv (Israel) befördert.
Ausgabedatum: 1. Dezember 1953
Besonderheit: Vollständiger Kehrdruck-Bogen (gespiegelter Druck der Marken in Paaren)
Postalische Verwendung: Einschreiben + Luftpost nach Israel
Provenienz: Aus dem Nachlass eines verstorbenen NZZ-Redaktors
Seltenheit: Jahrzehntelang war kein FDC mit diesem Kehrdruck-Bogen bekannt – vermutlich einzig erhaltenes Exemplar weltweit
Ein spektakulärer Beleg, der philatelistische Rarität und einmalige postalische Geschichte verbindet – ein absolutes Spitzenstück der Schweizer Pro-Juventute-Philatelie.
Pro Patria – Vorab-Ersttagsbrief 1940
Eine Seltenheit abseits des offiziellen Ausgabetages: Dieser Brief mit der 20-Rappen-Marke „Pro Patria 1940“ (mit geändertem Sockel) wurde bereits am 4. April 1940 im Schweizer Postmuseum Bern entwertet – zwei Tage vor dem offiziellen Erstausgabetermin am 6. April 1940.
Ausgabedatum offiziell: 6. April 1940
Besonderheit: Vorab-Entwertung am 4. April 1940
Verteilerkreis: Nur wenige Mitglieder des damaligen Bundesfeier-Komitees erhielten solche Briefe
Adressat: Hans Gaudard, bekannter PTT-Generaldirektor und Initiant dieser Vorab-Ausgabe
Motiv: Soldatendenkmal mit geändertem Sockel, Teil der „Nationale Spende“-Serie
Ein Beleg mit klarer Provenienz und spezieller Ausgabehistorie – und ein Zeitzeugnis für die enge Verbindung zwischen Schweizer Postgeschichte und bedeutenden Persönlichkeiten wie Hans Gaudard.
Pro Patria – Blockausschnitte 1940 (Fauchère-FDC)
Ein Ersttagsbrief der Spitzenklasse: Blockausschnitte aus dem Pro-Patria-Block 1940, einzeln auf Brief aufgeklebt und am 16. Juli 1940 entwertet. Nur sehr wenige Sammler wie Hans Gaudard oder Walter Fauchère fertigten derartige Belege an – das hier gezeigte Stück ist ein typischer Fauchère-FDC.
Ausgabedatum: 16. Juli 1940
Besonderheit: Verwendung einzelner Marken als Blockausschnitte
Hersteller: Walter Fauchère, einer der bekanntesten Schweizer FDC-Produzenten seiner Zeit
Seltenheit: Ersttagsbriefe mit Blockausschnitten zählen zu den grossen Raritäten im Bereich Schweizer FDC
Motiv: Wohltätigkeits- und Bundesfeier-Motive der Pro-Patria-Serie 1940
Ein hochseltenes Zeitdokument, das Präzision im philatelistischen Handwerk und die Sammelleidenschaft zweier bedeutender Persönlichkeiten vereint.